Die Folgen
Ein Liter Benzin kostet auf dem Schwarzmarkt 6€.
Familien können nicht mehr kochen, weil es kein Gas mehr gibt. Einige sind jetzt schon gezwungen, auf offenem Feuer mit Holz das Nötigste zuzubereiten. Die Regierung verkauft der Bevölkerung ab dem 20.11. Holz zum Kochen außerhalb der Wohnungen – Holz von Bäumen, die Nepal dringend zum Schutz der Umwelt und zum Schutz gegen weitverbreitete Erosionen braucht. Die Leute sammeln Müll und verbrennen ihn, damit sie kochen können.
Die Leute können ihrer Arbeit nicht nachkommen. Lohnfortzahlung gibt es natürlich nicht.
Die Transportmittel sind lebensgefährlich überladen. Die Konsequenzen haben wir bitter erleben müssen (siehe: Wir trauern).
Die Versorgung mit Lebensmitteln ist schwierig, die Preise steigen auch für Grundnahrungsmittel.
Menschen sterben, weil sie keine Transportmöglichkeiten in ein Krankenhaus haben. Aktuell fallen 40% der dringend nötigen Operationen in Kathmandu aus.
Die Aufbauarbeiten nach dem Beben sind ungemein erschwert. Höhere Transportkosten (wenn Transporte überhaupt möglich sind), teurere Materialkosten (weil sie verknappen) und verstärkte Korruption (weil der, der mehr hat, auch bessere Chancen hat), sind nur einige der Stolpersteine.
Der Tourismus erleidet einen weiteren Rückschlag, weil die Gäste nicht transportiert werden können und die Preise steigen. Teilweise können Hotels und Gasthäuser kein Essen mehr zubereiten bzw. sie müssen ihr Angebot stark einschränken.
Viele Restaurants und Hotels haben geschlossen, nicht nur aus Mangel an Gas, sondern auch aus Mangel an Touristen. Viele Arbeitsplätze sind zerstört.
Aussichten
China hat Nepal kurzfristig Benzinlieferungen zugesagt. Allerdings birgt die einzige offene und sehr schmale Straße zwischen China und Nepal große Risiken. Die Lieferung von 200 LKW-Ladungen ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Gaslieferungen sind derzeit noch gar nicht in Sicht.
In den Verhandlungen mit Indien scheint kein Einlenken in Sicht. Vermutlich von Indien angeheuerte Demonstranten verschärfen die Situation an den Grenzen zunehmend. Am 21.11.2015 wird von ihnen eine Hilfslieferung mit dringend benötigten Medikamenten gesprengt.
Am 24.11.2015 schickt die Regierung Truppen an die Indische Grenze.
Es wird 3-4 Wochen dauern bis alle abgestellten Autos und Buse überhaupt wieder in Gang kommen, falls es ausreichende Lieferungen gibt.
Kathmandu nach dem Beben
Die Folgen des Bebens sind auf den ersten Blick für die Menschen in Kathmandu nicht mehr in der Form präsent, wie sie es für die Menschen in den betroffenen Bergregionen sind. Die großen Flüchtlingscamps in Kathmandu und Bhaktapur werden von den meisten Bewohnern in Kathmandu gar nicht wahrgenommen. Selbst Maya tat sich schwer, mit uns diese Camps zu besuchen. Die Flüchtlinge sind überwiegend aus den Bergen oder aus zerstörten Dörfern im Kathmandu-Tal. Wie sie die schlimme Regenzeit dort verbracht haben und wie sie den Winter dort überstehen, ist für uns nicht vorstellbar, aber für die Menschen dort als Alternative zu „nichts“ eine Lösung. Die grundsätzlichen Strukturen wie Wasserversorgung, Duschen, Toiletten und ärztliche Basisversorgung sind durch Hilfsorganisationen abgedeckt. Staatliche Unterstützung wurde uns nicht sichtbar.
Selbstverständlich sind in der Stadt auch zerstörte Häuser und Straßen zu sehen. Selbstverständlich leben auch dort Menschen in nicht sicheren Häusern, in abbruchreifen Behausungen. Selbstverständlich müssen auch dort Menschen mit Verletzungen sehen, wie sie zurechtkommen.
Auch zwei Familien aus unserem Projekt, wen wundert es, sie gehören zu den ärmsten Familien die wir betreuen, leben in gefährdeten Räumen. Ein Umzug kommt für sie trotzdem nicht in Frage.
Das Dorf Bhorle nach dem Beben
Bhorle ist wie so viele Dörfer im Langtang bis auf wenige Ausnahmen zerstört bzw. provisorisch hergerichtet. Dauerhafter, erbebensicherer Neuaufbau ist hier so gut wie nicht spürbar. Die Unterstützung durch die Regierung ist nicht ersichtlich. Da, wo gemeinnützliches gebaut wird, sind NGOs am Werk, da wo Menschen die Mittel haben, ihre Hauser wieder aufzubauen, werden, laut unserer Architekten, sehr oft alte Fehler wiederholt. Strukturierter staatlicher Wiederaufbau ist nicht spürbar.
Die Vorstellung, wie die Menschen den Winter dort in den provisorischen Hütten überstehen wollen, ist für uns Europäer unvorstellbar. Eine schnelle Verbesserung ist nicht in Sicht. Also wird man mit dem zurecht kommen müssen, was da ist. Wie viele Todesopfer durch die Folgen von Kälte und Nässe zu beklagen sein werden, werden wir nie erfahren.
Packen wir es an
Die Reise nach Bhorle gemeinsam mit sieben unserer älteren Patenkinder war ein wichtiger Schritt für die weitere Zusammenarbeit mit dem Schulkomitee in Bhorle, der Lehrerschaft und der Bevölkerung.
Dass uns sieben unserer älteren Patenkinder begleiten konnten, war ein großes Geschenk, auch für uns Erwachsene. Die Kluft zwischen der Stadtbevölkerung und den Menschen auf dem Land ist gravierend. Das Reisen innerhalb von Nepal findet nur aus sehr wichtigen Gründen statt, nicht zuletzt weil es mit hohen Kosten verbunden ist. Die Abneigung gegen das Landleben ist bei unseren Jugendlichen sehr hoch. Die schweren Umweltbelastungen in Kathmandu werden von ihnen als normal erlebt. Die Vorteile des Stadtlebens liegen für sie auf der Hand: Annäherung an ein modernes Leben.
Für unsere „Pänz“ war die Zeit ein einschneidendes Erlebnis. Zu sehen, wie die Menschen nach dem Beben in den Bergen zurechtkommen müssen, wie die Menschen auch ohne Erdbeben dort ihr Auskommen haben, wie es sich anfühlt gute Luft zu atmen. Keiner unserer Jugendlichen war zuvor einmal außerhalb des Kathmandu-Tals gewesen und keiner hatte die Lebensbedingungen ihrer Vorfahren gesehen. Vielleicht hat die gemeinsame Zeit ein paar Dinge in ihren Köpfen zurecht gerückt.